Vermögensteuer würde die Wirtschaft ausbremsen
Eine Debatte über mehr Gerechtigkeit in der Vermögensverteilung ist legitim. Vielen gilt die Wiedereinführung einer Vermögensteuer in Deutschland als einfache Lösung, die überdies zusätzliche Mittel für den Staatshaushalt beschaffen soll. Doch es sollten dabei auch die potenziellen wirtschaftlichen Schäden und verfassungsrechtlichen Herausforderungen in den Blick genommen werden. Für eine fundierte Diskussion sind klare Fakten und eine sorgfältige Analyse unerlässlich.
Die Diskussion um die Vermögensteuer in Deutschland nimmt vor den anstehenden Bundestagswahlen an Fahrt auf. Die Befürworter ignorieren dabei häufig die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft, insbesondere auf Familienunternehmen.
Dabei sind sie es, die einen erheblichen Teil des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwirtschaften. Familienkontrollierte Unternehmen erzielen mit 55 Prozent mehr als die Hälfte des privatwirtschaftlichen Umsatzes, wie unsere Studie „Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen“ (ifm, ZEW 2023) darlegt.
Aus ihr geht zudem hervor, dass fast 60 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Familienunternehmen tätig sind. Sie tragen also wesentlich zum allgemeinen Wohlstand in Deutschland bei (ifm, ZEW 2023).
Es ist daher entscheidend, dass sich die Debatte um die Vermögensteuer nicht in ideologischen Erzählungen verfängt, sondern auf soliden empirischen und rechtlichen Grundlagen beruht. Nur so kann eine Lösung gefunden werden, die sowohl der sozialen Gerechtigkeit als auch der wirtschaftlichen Stabilität Rechnung trägt.
Zehn wissenschaftlich belegte Fakten, die in der Debatte nicht übersehen werden sollten:
Vermögen ist vor allem betrieblich investiert
Eine in der Vermögensteuerdebatte immer wieder vorgebrachte These lautet, eine niedrige Vermögensteuer belaste die Besteuerten nur wenig. Bei Gesellschaftern von Familienunternehmen ist das Vermögen aber immer auch Betriebsvermögen. Es ist gebunden und wird produktiv eingesetzt. Das Vermögen steckt in Fabriken, Maschinen, Software sowie Patenten und liegt nicht auf Privatkonten.
Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag unserer Stiftung („Die Rolle der Betriebsvermögen in der Vermögensverteilung“, IW 2021) ist das Vermögen des wohlhabendsten Prozents der Bevölkerung zu 56 bis 65 Prozent im Betrieb gebunden.
Als produktive Anlage sichert es die Zukunft von Unternehmen und Arbeitsplätzen. Es finanziert künftiges Wachstum und ermöglicht Innovationen. Würde künftig eine Steuer fällig, müssten Familienunternehmen zum Teil hohe Summen zahlen, die dann für Investitionen fehlen. Im schlimmsten Fall müssten Teile des Betriebs verkauft werden. Die Vermögensteuer schädigt die Substanz und damit die Schlagkraft der Unternehmen im internationalen Wettbewerb.
In Krisenzeiten ist die Substanz entscheidend
Corona und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine haben Deutschland wirtschaftlich ins Straucheln gebracht, etwa weil es vorübergehend zu einem massiven Anstieg der Energiekosten gekommen ist. In solchen Krisenzeiten ist es wichtig für Familienunternehmen, über ausreichende finanzielle Reserven zu verfügen.
Doch eine Vermögensteuer nimmt darauf keine Rücksicht. Sie belastet das Betriebsvermögen von Unternehmen auch dann, wenn sie aufgrund von Krisen oder branchenspezifischen Herausforderungen deutlich geringere Renditen oder gar Verluste erzielen („Zur Debatte über die Einführung einer Nettovermögensteuer in Deutschland“, ifo 2021). Dabei kämen neben den reinen Steuerkosten für Unternehmen auch hohe Befolgungskosten hinzu, wie für Steuerberater.
Die Steuerlast in Deutschland ist schon heute eine Herausforderung für Familienunternehmen
Die Behauptung, Familienunternehmen in Deutschland seien bereits heute steuerlich begünstigt, lässt sich auf Basis unserer Studien mit renommierten Wirtschaftsinstituten kaum halten.
Erstens versteuern Gesellschafter von Familienunternehmen ihre Arbeit und alle in Personengesellschaften entstehenden Gewinne – unabhängig von deren Entnahme – bereits als Einkommen im Rahmen der Einkommensteuer. Der Spitzensteuersatz für privates Einkommen einschließlich „Reichensteuer“ und Solidaritätszuschlag liegt bei knapp 47,5 % (mit Kirchensteuer über 50 %). Hinzu kommen gegebenenfalls nicht anrechenbare Gewerbesteuerüberhänge, welche die steuerliche Gesamtlast zusätzlich erhöhen.
Die Gesamtbelastung von Gewinnausschüttungen und Dividenden aus versteuerten Gewinnen von Kapitalgesellschaften liegt im Ergebnis ähnlich hoch. Dabei wird der Soli nur noch von der Einkommensspitze und den Betrieben gezahlt und hat inzwischen den Charakter einer verfassungswidrigen Sonderabgabe. Eine zusätzliche Vermögensteuer würde somit doppelt belasten.
Zweitens ist Deutschland für Familienunternehmen schon heute eine steuerliche Herausforderung. Im „Länderindex Familienunternehmen“ (ZEW, 2023) rangiert Deutschland bei der Kategorie „Steuern“ auf Platz 20 von 21 Industrieländern. Dennoch wird häufig behauptet, Unternehmer seien nicht solidarisch genug. Eine weitere Steuerbelastung würde zu einer weiteren Rangverschlechterung führen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beeinträchtigen (ZEW, 2023).
Eine Vermögensteuer hätte starke Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum
Der Ökonom Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest, Präsident des Münchner ifo Instituts, hat für unsere Stiftung untersucht, welche Auswirkungen eine Nettovermögensteuer in Deutschland hätte (ifo 2021).
Sein Fazit: Die Einführung würde das Wirtschaftswachstum deutlich bremsen, weil die Steuer unter anderem Anreize zu Investitionen und Kapitalbildung mindert.
Das Bruttoinlandsprodukt, so zeigt eine Simulationsrechnung, wäre nach acht Jahren mit Vermögensteuer um bis zu 6,2 Prozent niedriger als ohne Vermögensteuer, so die Studie (ifo 2021).
Kapitalabfluss ins Ausland durch Vermögensteuer hat Folgen für Arbeitnehmer
Fuest stellt in dieser Studie ebenfalls klar, dass eine Steuer auf Vermögen zusätzlich zu den bestehenden Steuern im internationalen Vergleich ein Sonderweg wäre. Dies hätte Folgen: Wird eine solche Steuer erhoben, setzt dies einen Anreiz zum Kapitalabfluss (ifo 2021).
Investoren aus dem Ausland könnten die Vermögensteuer vermeiden, indem sie ihr Geld in andere Länder verlagern. Auch deutsche Unternehmer könnten erwägen, ihren Wohnsitz in das Ausland zu verlegen, um der Steuerlast zu entkommen (ifo 2021).
Besonders bedeutsam ist dabei die mögliche Auswirkung auf den heimischen Arbeitsmarkt: Kapitalflucht oder eine sinkende Investitionsbereitschaft könnten letztlich zu Lasten anderer Gruppen, insbesondere der Arbeitnehmer, gehen. Die dadurch entstehenden Steuerausfälle und zusätzliche staatliche Sozialausgaben könnten per Saldo – trotz Einnahmen aus der Vermögensteuer – zu einer Belastung der öffentlichen Haushalte werden.
Bürokratie dürfte die Einnahmen des Staates aus der Vermögensteuer erheblich schmälern
Nicht nur Familienunternehmen, sondern auch Arbeitnehmer könnten also von einer Vermögensteuer negativ betroffen sein, während der Staat zugleich am Ende durch den großen Erhebungsaufwand weniger profitiert als erwartet.
Der Grund: Wer genau hinschaut, was eine solche Steuer unter dem Strich für die Staatskasse bringt, muss den damit verbundenen bürokratischen Aufwand in die Rechnung einbeziehen. Die Behörden stünden nach der Einführung vor einer Mammutaufgabe, die erhebliche Verwaltungskosten verursachen würde. Frühere Schätzungen gehen davon aus, dass diese Kosten bis zu 30 Prozent des Steueraufkommens ausmachen könnten (ifo 2021).
Die Erfahrungen mit der Grundsteuer, die wesentlich leichter zu erheben ist, zeigen schon jetzt, dass die Finanzverwaltung an die Grenze des Leistbaren kommt, je aufwendiger die Erhebung einer Steuer ist.
Solche Zahlen verdeutlichen, dass die Vermögensteuer als abstraktes Konzept eine populäre Idee sein mag. In der Praxis frisst der komplexe Aufwand für die Bewertung von Gegenständen oder Grundstücken den Ertrag auf. Wie Clemens Fuest in seiner Studie zur Nettovermögensteuer betont, fallen bei der Vermögensteuer im Verhältnis zum Steueraufkommen deutlich höhere Verwaltungskosten an als bei anderen Steuerarten (ifo 2021).
Andere Länder haben die Vermögensteuer abgeschafft
Der Blick ins Ausland sollte die Befürworter der Vermögensteuer ebenfalls ernüchtern: Weltweit spielen Nettovermögensteuern eine untergeordnete Rolle, und zwar traditionell. Tatsächlich haben die meisten Länder in den vergangenen Jahrzehnten diese Form der Besteuerung komplett abgeschafft (ifo 2021).
Oft wird argumentiert, vermögensbezogene Steuern würden in anderen Ländern mehr zum Steueraufkommen beitragen als in Deutschland. Dieser Unterschied ist jedoch nicht auf Nettovermögensteuern zurückzuführen, sondern hauptsächlich auf Grundsteuern. Im Durchschnitt tragen Grundsteuern in OECD-Ländern 3,2 Prozent zum Steueraufkommen bei, während es in Deutschland lediglich 1,1 Prozent sind (ifo 2021).
Ungleichheit ist in den vergangenen Jahren nicht größer geworden
Familienunternehmer legen Wert darauf, dass Deutschland ein Land mit hoher Lebensqualität für alle Menschen ist. Ganz grundsätzlich ist die Vermögensungleichheit in Deutschland seit dem Jahr 2007 konstant (Ifo 2021). Im April 2023 meldete die Deutsche Bundesbank sogar eine leichte Abnahme der Ungleichheit.
Interessanterweise ist auch die Vermögensungleichheit in sozialstaatlichen Ländern wie den Niederlanden, Dänemark und Österreich höher als in Deutschland.
Bei internationalen Vergleichen ist zusätzlich zu beachten, dass Renten- und Pensionsansprüche bei der Messung von Vermögen ausgeklammert ist. Diese Form von Vermögen hat in Deutschland aber eine größere Bedeutung als in anderen Ländern. Das lässt die relative Ungleichheit in internationalen Vergleichen häufig verzerrt erscheinen (vgl. Ifo 2021).
Familienunternehmen stärken gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland
Gleichwohl sind sich die Familienunternehmer bewusst, in Zukunft wird es immer schwieriger werden, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Der demografische Wandel, die digitale und ökologische Transformation sowie Defizite in Infrastruktur und Bildung belasten ganz Deutschland, vor allem aber die ländlichen Regionen.
Deshalb ist das Wirken von schlagkräftigen Wirtschaftsakteuren dort besonders wichtig, sollte gefördert und nicht durch eine Vermögensteuer belastet werden. Das macht unsere Studie „Die Bedeutung der Familienunternehmen für ländliche Räume“ (IW Consult, 2023) deutlich. Die Ergebnisse zeigen, wie stark ländliche Räume von einem hohen Anteil an Familienunternehmen profitieren.
Ob Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, Kaufkraft, Produktivität oder Beschäftigung – bei allen Indikatoren sind die Regionen umso erfolgreicher, je höher der jeweilige Anteil an Familienunternehmen ist, so das Forscherteam des IW (vgl. IW Consult, 2023).
Verfassungsrechtliche Risiken einer Wiedereinführung der Vermögensteuer sind erheblich
Zuletzt sollten Befürworter einer Vermögensteuer auch die rechtliche Seite betrachten. Diese Steuer ist in Deutschland keine neue Idee. Sie wurde aber seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1997 nicht mehr erhoben, da die Bewertung unterschiedlicher Vermögen nicht verfassungskonform möglich war.
Prof. Dr. Udo Di Fabio, Rechtsprofessor an der Universität Bonn und ehemaliger Verfassungsrichter, zeigt in einer Analyse auf, dass auch die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine einmalige Vermögensabgabe derzeit nicht gegeben sind (vgl. „Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Vermögensteuern und Vermögensabgaben“, Universität Bonn, 2022). Er betont, dass die Politik eine solche Abgabe etwa zur Abwehr eines fiskalischen Staatsnotstands in Erwägung ziehen könnte, die aktuellen Rahmenbedingungen dies aber nicht rechtfertigen.
Ein von Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhardt in Auftrag gegebenes Gutachten beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags bestätigt das. Der Bund könnte zwar grundsätzlich eine Vermögensabgabe erheben. Das wäre jedoch nicht ohne erhebliche Rechtsunsicherheiten und die Gefahr der Verfassungswidrigkeit möglich.
Auch die Wiedereinführung der Vermögensteuer birgt laut Di Fabio erhebliche rechtliche Risiken. Die Eigentumssubstanz darf nicht angegriffen werden, die Leistungsfähigkeit der Unternehmen nicht beschädigt. Wer aber bei der Steuererhebung das Produktivvermögen verschonen will, muss sehr umsichtig vorgehen, will er Rechtssicherheit gewährleisten. Allenfalls sei eine so genannte Sollertragssteuer denkbar: für alle ertragsfähigen Vermögen gleichmäßig, bewertet zum aktuellen Marktwert.
Doch die Voraussetzungen für eine saubere Ausgestaltung sind schwer zu erfüllen. Insbesondere sei die „kumulative Belastungswirkung bei Hinzutreten einer zusätzlichen Steuer auf das bereits bestehende Abgabensystem realitätsgerecht zu berücksichtigen“ (vgl. Universität Bonn, 2022).
Di Fabios Empfehlung: Entweder von der Wiederaufnahme der Vermögensbesteuerung abzusehen. Oder aber die Vermögensteuer mit dem Einkommensteuersystem und der Realbesteuerung zu harmonisieren (vgl. Universität Bonn 2022).
Ausblick:
Die Debatte um die Wiedereinführung der Vermögensteuer wird in der öffentlichen Diskussion häufig vereinfacht. Dabei geht es um weit mehr, als nur Vermögen gerechter zu verteilen. Die ökonomischen Folgen sind tiefgreifend und komplex.
In einer Volkswirtschaft wie der deutschen, die stark von ihren Familienunternehmen getragen wird, hat jede fiskalische Maßnahme, die ihre Substanz angreift, weitreichende Auswirkungen. Sie treffen nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch den Arbeitsmarkt und die langfristige wirtschaftliche Stabilität.
Steuerpolitik darf nicht losgelöst von der wirtschaftlichen Realität operieren. Nur wenn sie sich in einen rechtlichen und ökonomischen Rahmen fügt, kann sie auf Dauer stabil und wirksam bleiben.
Bildnachweis: Mike Hindle / Unsplash, 2024
- Datum
- 21.10.2024